Fallbeispiel Thomas

Elternarbeit und Besuche

Thomas berichtet

Thomas erzählt von den Besuchskontakten während seiner Zeit im Heim. Er macht deutlich, weshalb diese Begegnungen eine große seelische Belastung für ihn waren.

Dauer: 11 Minuten

Monika Nienstedt: Elternarbeit und Besuche

Dr. Monika Nienstedt schildert die Beziehungsarbeit mit Thomas‘ Mutter und mit anderen Eltern, die nicht in der Lage sind, für ein Kind zu sorgen. Sie geht auf das Erleben des Kindes bei Besuchskontakten ein und benennt Kriterien der Umgangsbegleitung und Umgangsregelung.

Dauer: 27 Minuten

Besuchkontakte im Kinderheim

Der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Martin Janning hat langjährige Erfahrung mit Umgangskontakten im Heim. Er fragt: „Wozu ist das eigentlich gut?“

Dauer: 7 Minuten

Thomas Familienwunschprobe

Martin Janning erläutert die Methode der Familienwunschprobe, die zur Exploration von Wünschen, Fantasien und Beziehungen des Kindes im Kinderschutz und in den Erziehungshilfen als hilfreiche Methode eingesetzt werden kann. 

Dauer: 13 Minuten

„wie kann man heilen, wenn man immer wieder mit dem Täter konfrontiert wird?“

Gespräch zwischen Kristina Odak und Maud Nordstern zur Regelung des Umgangs (§1684 BGB) und zur Anforderung an die Bezugspersonen, die Belastungen von Kindern wie Thomas zu dokumentieren und in das gerichtliche Verfahren einzubringen.

Dauer: 6 Minuten

§ 1684 BGB

Lückentext: Umgang

Das Familienrecht regelt das Umgangsrecht insbesondere in dem . Das Recht auf Umgang mit dem Kind ist . Soll das Umgangsrecht der Eltern zum Schutz des Kindes eingeschränkt, begleitet oder ganz ausgeschlossen werden, muss das Familiengericht . Das Familiengericht kann das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit diese zum „Wohl des Kindes erforderlich“ ist. Sollen diese Maßnahmen für längere Zeit oder auf Dauer getroffen werden, muss der Umgang . Vielen Fachkräften im Kinderschutz fällt es gegenüber den leiblichen Eltern schwer, das Kind aus der Familie zu nehmen und in einem Heim oder einer Pflegefamilie unterzubringen. Sie tendieren dann dazu, den leibliche Eltern das Umgangsrecht zu lassen, ohne zu sehen, wie belastend dieser Umgang für das Kind sein kann. Daher sollte immer die Frage gestellt werden, wozu der Umgang dienen soll. Dient er der Rückführung und daher dem Aufrechterhalten einer bestehenden Eltern-Kind-Beziehung oder dient er der . Familienrichter*innen haben überwiegend mit Scheidungskindern zu tun, die erziehungsfähige Eltern haben. Auch ihre Ausbildung befähigt sie zur fachgerechten Einschätzung, welche Auswirkungen der Umgang mit leiblichen Eltern haben kann, dies das Kind misshandelt oder schwer vernachlässigt haben. Da die Schwelle für die dauerhafte Einschränkung oder für den Ausschluss des Umgangsrechts von Kind und Eltern hoch ist, ist es wichtig .

Ein Gespräch im Garten

Thomas und Monika Nienstedt haben bei einer Probeaufnahme über die intensive Arbeit mit Thomas‘ Mutter, über Besuchskontakte und das Thema „Kindeswohl und Kindeswille“ gesprochen. Sie haben ihre Aufnahme freundlicherweise für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Dauer: 17 Minuten

„…dass jemand wirklich nicht erziehungsfähig ist“

Thomas berichtete im Jahr 2018 im Rahmen einer Vorlesung zum Kinderschutz erstmals öffentlich von seiner Geschichte. Während der Aussprache äußerte er sich spontan zum Thema „Elternarbeit“. Zum Ende dieses Beitrages ist noch der im Jahr darauf verstorbene Dr. Arnim Westermann zu sehen, der ergänzend das Wort ergriff.

Dauer: 3 Minuten

Elternarbeit im Auftrag des Kindeswohls

Das Team im Kinderheim Rheine hat ein bundesweit einmaliges Konzept zur Arbeit mit Eltern entwickelt. Sind Eltern nicht in der Lage, für ihre Kinder zu sorgen, geht dies oft auf eine eigene ungestillte Bedürftigkeit oder Gewalterfahrung zurück. An dieser Not setzt die Elternarbeit an.

Dauer: 19 Minuten

Janning, Martin: Zur Arbeit mit Herkunftseltern

„…dann haben sie zum Beispiel den Umgangsstreit nicht mehr“

Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Ludwig Salgo verdeutlicht, wie wichtig und kindeswohlorientiert Elternarbeit sein kann.

Dauer: 4 Minuten

Tenhumberg, Annette: Aufgaben und Herausforderungen der Jugendhilfe bei Fragen von Besuchskontakten und ihrer Durchführung bei Pflegekindern. 

Elternarbeit im ASD

„was es bedeutet, ein Kind anzuschreien"
Die ASD-Mitarbeiterin Lena Wagner erzählt davon, wie Eltern durch einen Perspektivwechsel verstehen können, wie ängstigend sie auf ihre Kinder wirken können, wenn sie sie anschreien. Dauer: 3 Minuten
„...das ist tatsächlich sehr schwierig"
Lena Wagner berichtet von der anspruchsvollen Elternarbeit im Jugendamt. Dauer: 2 Minuten
„...haben sie überhaupt eigene Kinder?"
Lena Wagner berichtet, mit welchen Reaktionen eine junge Sozialarbeiterin im Jugendamt konfrontiert sein kann. Dauer: 3 Minuten

Gespräche mit psychisch kranken Eltern

Dr. Christiane Deneke hat mit vielen psychisch kranken Eltern gearbeitet. Sie betont, wie wichtig es ist, die Kindheit der Eltern im Blick zu haben.

Dauer: 4 Minuten

„Es entwickelt sich ein starker Sog zur Identifikation mit den Eltern, und das sprachlose und unsichtbare Elend der Kinder gerät aus dem Blick oder verliert an Gewicht. Wunschdenken lässt dann Hilfen für die Eltern als geeigneten Ausweg aus dem Dilemma erscheinen, auch wenn alles Erfahrungswissen dagegen spricht.“
Gisela Zenz, 2009, S.116 (Rechtswissenschaftlerin und Psychoanalytikerin)

Zenz., Gisela: Die Unterbringung misshandelter und vernachlässigter Kinder in Pflegefamilien - Anforderungen an den Pflegekinderdienst.

Übung Zeitstrahl

Auch geeignet zur Gruppenarbeit

Die untenstehende Chronologie gibt Ihnen einen Überblick über die ersten zehn Lebensjahre von Thomas. Bitte überlegen Sie selbst einmal, welche Ereignisse Sie in dem beigefügten Zeitstrahl abbilden würden und welche nicht.

Übung Zeitstrahl

Chronologie

DatumAlterEreignis
03.08.19726,3Birgit kommt mit ihrem Bruder Thomas zu uns (Nienstedt, Westermann) und bittet uns, dass wir uns um ihn kümmern, wenn er im Kinderheim ist.
03.08.19726,3Thomas bleibt aber zu Hause, weil Nachbarn Thomas aufnehmen, bis die Kindesmutter zurückkehrt. Wir lernen auch die Kindesmutter und das gesamte familiale Umfeld kennen.
 
10.08.19726,4Einschulung Grundschule
27.08.19726,5Der Kindesvater wird wg. fortgeschrittener Demenz mit hochgradiger Erregung, Verwirrtheitszuständen und aggressivem Verhalten stationär im Krankenhaus aufgenommen.
13.09.19726.5Ein Nachbar meldet, dass die Kindesmutter mit einer Kassette voller Geld im Taxi Richtung [MN: drei Autostunden entfernte Stadt, in der Frau Diehl früher lebte] fahre. Die Polizei stoppt sie, stellt fest, dass sich Thomas mit im Fahrzeug befindet. Kindesmutter wird aufgrund der akuten manischen Phase in hochgradigem Erregungs- und Verwirrtheitszustand und Neigung zu Aggression in das Krankenhaus (10. Stationärer Aufenthalt dort) eingewiesen.
13.09.19726.5Thomas im Kinderheim. Die Heimleiterin bittet uns, eine Patenschaft für Thomas zu übernehmen für die Zeit des Heimaufenthalts. Beginn der Patenschaft: wir holen Thomas samstags, später nach Rückkehr der Kindesmutter Dienstags 15 bis 18 Uhr zu uns
15.09.19726,5Amtsgericht Grubben: Ruhen der elterlichen Sorge [MN: Damals noch „Elterliche Gewalt“]; Jugendamt Grubben wird zum Vormund bestellt. Das Kinderheim wird unterrichtet, dass Thomas ohne Zustimmung des Jugendamtes weder an den Vater, noch an die Mutter herausgegeben werden dürfe.
18.09.19726,6Der Vater ist im Krankenhaus gestorben. 
05.10.19726,6Die Kindesmutter wird aus der Klinik entlassen. Ihr Zustand ist noch labil, so dass Thomas vorerst noch im Kinderheim bleiben soll, bis die Kindesmutter eine ambulante Weiterbehandlung aufgenommen hat. Es finden wöchentlich dreistündige Besuchskontakte der Kindesmutter im Krankenhaus statt, die aber nicht zuverlässig eingehalten werden.
20.01.19736,9Bericht ans Jugendamt über unsere bisherigen Beobachtungen und Recherchen und unsere Beurteilung, dass Thomas einen weiteren Verbleib im Kinderheim und Sicherheit hierüber für eine gesunde Entwicklung braucht.
02.19736,10Gespräch mit dem Vormundschaftsrichter. Er ermutigt uns, mit der Kindesmutter direkt über einen Verbleib Thomas im Heim zu sprechen. Gespräch mit der Kindesmutter. Sie stimmt wider Erwarten zu. [Anmerkung: Bis zur Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 lag die Zuständigkeit für Verfahren nach § 1666, 1666a BGB 1998 bei dem Vormundschaftsgericht, erst danach beim Familiengericht].
09.03.19736,11Ausweitung der Besuchskontakte zur Kindesmutter, der es nach Wiederaufnahme der ambulanten psychiatrischen Weiterbehandlung besser geht: über die dreistündigen Kontakte im Kinderheim hinaus besucht Thomas im Wechsel 14-tägig sonntags von 10:00 – 17:00 die Kindesmutter zu Hause.
04.05.19737,1Weitere Ausweitung der Kontakte: 14-tägig Übernachtungsbesuche (Sa 15:00 bis So 18:00) bei der Kindesmutter. Intensivierung unserer Kontakte zur Kindesmutter (Hausbesuche und Telefongespräche).
18.05.19737,1Heimleiterin: Thomas wirkt nach dem Wochenend-Besuch bedrückt, verschlossen, reagiert mit verstärkten Auffälligkeiten.
14.07.19737,3Information ans Jugendamt und ausführlicher schriftlicher Bericht, dass wir in der Fortsetzung der Besuche Thomas in der Familie eine Gefahr für seine seelische Gesundheit sehen aufgrund hoch belastender und irritierender Beziehungserfahrungen und der erneuten Entwicklung einer manischen Phase bei der Kindesmutter.
 
14.07.19737,3Einschränkung der Besuchskontakte: Schreiben des Jugendamtes an die Kindesmutter, dass wegen deutlich verstärkter Verhaltensstörungen des Kindes die Besuche nur noch nachmittags im Kinderheim stattfinden sollen. Wütende Reaktion der Kindesmutter, dass sie dann gar keine Kontakte mehr wolle.
15.07.19737,3Wiederholte lange Anrufe der Kindesmutter bei uns mit verwirrenden Erzählungen, und mit Empörung über den Brief vom Jugendamt. Sie will sich aber mit der neuen Besuchsregelung abfinden, wenn wir meinen, dass es für Thomas besser sei. (Tatsächlich finden danach kaum noch Besuchskontakte statt)
17.07.19737,3Einweisung der Kindesmutter ins Krankenhaus
18.07.19737,3Gespräch mit Thomas über die Art der Erkrankung seiner Mutter, die aktuelle Situation und dass sie wegen dieser Erkrankung, die immer wieder kommt, auf Dauer nicht für ihn sorgen kann.
23.07.19737,3Ausführlicher Bericht ans Jugendamt über die aufregenden Ereignisse bis zur erneuten Zwangseinweisung der Kindesmutter.
13.08.19737,4Gespräch mit dem Jugendamt, ob eine Pflegefamilie für Thomas nicht wünschenswert wäre.
10.09.19737,5Gespräch mit dem Vormundschaftsrichter, dem Vormund und der Heimleiterin. Die Heimleiterin berichtet, dass Thomas in den letzten 6 Wochen, in denen kein Kontakt zur Kindesmutter bestand, förmlich aufgeblüht sei. Auffälligkeiten wie Schlafstörungen, Einnässen und Leistungseinbrüche in der Schule verschwanden. Er habe auch nicht einmal nach der Kindesmutter gefragt. Wir sprechen über unsere Überlegung, Thomas in eine Pflegefamilie außerhalb Grubbens zu vermitteln, um Distanz zur Kindesmutter zu gewährleisten, und wie Besuchskontakte - die man, so der Richter, in jedem Fall nicht völlig unterbinden könne - durchgeführt werden könnten. Der Richter hat keine rechtlichen Bedenken und wird entsprechend handeln, wenn die Kindesmutter nicht einverstanden sein wird.
14.09.19737,5Anruf der Kindesmutter: sie möchte aus Ärger über die Heimleiterin nicht, dass Thomas im Kinderheim bleibt. Sie möchte ihn bei einer Bekannten auf einem Bauernhof unterbringen, die mehrere Heimkinder aufnehmen will. Wir wenden ein, dass es dann ja wieder wie in einer Heimgruppe sei und ihm dort vor allem auch eine Vaterfigur fehle. Da bittet sie uns, für ihn eine Pflegefamilie zu suchen und uns weiter um ihn zu kümmern.
23.10.19737,6Mit Thomas zur Familie des Bruders von Arnim Westermann. 
07.12.19737.8Auftrag des Vormunds an den Pflegekinderdienst, eine Pflegefamilie für Thomas zu suchen, was aber vom Pflegekinderdienst als recht aussichtslos bewertet wird.
25.12.19737.8Weihnachtsbesuch mit Thomas bei der Familie von Monika Nienstedt.
15.03.19747.11Mit Thomas zur Familie der Schwester von Arnim Westermann.
25.07.19748.3Mit Thomas ein erster Besuch bei Reinhard und Ulla. Er lernt sie als unsere Freunde kennen.
24.08.19748.4Mitteilung ans Jugendamt, dass Reinhard und Ulla sich entschlossen haben, Thomas als Pflegekind aufzunehmen. Bericht über die zukünftigen Pflegeeltern und Überlegungen zum weiteren Vorgehen.
13.09.19748.5Gespräch mit der Kindesmutter, dass Pflegeeltern gefunden sind und Thomas voraussichtlich im Januar zu ihnen ziehen wird. Verständigung mit ihr über eine zukünftige Kontakt-Regelung: dass wir sie zweimal im Jahr mit Thomas besuchen werden und es darüber hinaus keinen direkten Kontakt zu ihm oder der Pflegefamilie geben darf. Die Kindesmutter ruft gleich danach im Jugendamt an, berichtet davon. Sagt, dass sie mit allem einverstanden sei, weil sie wisse, dass wir uns weiter um Thomas kümmern und die Familie beraten würden.
22.09.19748.5Erneute manische Phase mit starkem Agieren der Kindesmutter und Klinik-Einweisung.
01.10.19748.6Mit Thomas ein Wochenendbesuch bei Reinhard und Ulla.
16.10.19748.6Thomas in den Herbstferien 1 Woche bei Reinhard und Ulla. Er fragt sie, ob er nicht bei ihnen wohnen kann.
26.11.19748.8Thomas am Wochenende bei Reinhard und Ulla.
10.12.19748.8Thomas am Wochenende bei Reinhard und Ulla, von ihnen abgeholt und zurückgebracht. Anschließend Besuch mit den zukünftigen Pflegeeltern bei der Kindesmutter zu einem einmaligen Kennenlernen.
03.01.19758.9Thomas als Pflegekind bei Reinhard und Ulla.
20.08.19759.4Mit Thomas eine Woche Ferien.
25.11.19759.7Gespräch mit Vormund Jugendamt Grubben, Pflegeeltern und Kindesmutter über Adoption des Kindes und Fortsetzung der Besuchsregelung zwei Mal im Jahr mit uns bei der Kindesmutter.
30.11.19759.8Schreiben Jugendamt Grubben ans Gericht: Thomas habe sich in der Pflegefamilie gut entwickelt. Die Kindesmutter wird ihre Einwilligung zur Adoption geben. Die Vormundschaft soll auf Arnim Westermann als Einzelvormund übertragen werden (… …).
26.03.197610.0Vormund Arnim Westermann.
27.02.197710.11Adoption.
08.10.197913.6Letzter Besuch bei der Kindesmutter.